RBG Langenau

Teaching Spirit introNobelpreisträger geben sich die Ehre

Lindau Nobel Laureate Meetings- das jährliche Treffen von Nobelpreisträgern mit den begabtesten Nachwuchswissenschaftlern aus aller Welt fand dieses Jahr ganz traditionell in der Woche vom 26. Juni bis 1. Juli in Lindau/Bodensee und auf der Insel Mainau statt. Jedes Jahr sind dabei etwa 30 oder mehr Nobellaureaten vertreten.

 

 

400 Nachwuchswissenschaftler aus 80 Ländern werden hier jährlich durch ein Bewerbungsverfahren und Motivationsschreiben gesichtet und durch ein Review Komitee des Kuratoriums ausgewählt. Von überall auf der Welt kommen dann die Nominierten, wo nur wenige eines Landes berücksichtigt werden können, um Nobelpreisträgern aus ihrem Fachgebiet eine ganze Woche lang nahe zu sein, aktuelle Wissenschaft zu erfahren und Tipps für ihre wissenschaftliche Karriere zu erhalten.

Begleitend hierzu gibt es das Programm „Teaching Spirit“, das auch einigen nominierten Lehrern ermöglicht daran teilzunehmen. Neben den Vorträgen gibt es ein speziell für die Gruppe der Pädagogen zusammengestelltes Programm über zweieinhalb Tage. Der Themenbereich wechselt jedes Jahr und dieses Mal war nun wieder die Physik dran, also auch mein Fachgebiet.

Ich hatte das Glück von weit über 100 Bewerbern mit 18 weiteren Lehrern aus der Schweiz, Österreich und Deutschland ausgewählt zu werden und frische und aktuelle Forschungsluft schnuppern zu dürfen. Zu meinem Erstaunen gab es darunter gleich einige Kollegen, die ich von Schülerwettbewerben bestens kannte. In der folgenden Abbildung sind wir zusammen mit Prof. S. Hell (Mitte) zu sehen. Der Physiker erhielt 2014 den Nobelpreis in Chemie für optische Mikroskopie jenseits des Abbe Limits. Ihn kannte ich schon von früher, denn im Jahre 2003 hatte ich mich mal bei ihm in Göttingen vorgestellt.

So kam es dann, dass ich bald unter frischen und eher schon etwas betuchteren Nobelpreisträgern stand und man sich in (leider zum Teil eher erzwungenen) Gesprächen kennenlernen konnte. Besonders aber hatte ich mich auf einen der Preisträger gefreut, den ich aus meiner eigenen Zeit als Wissenschaftler kannte: von 2004 bis 2006 war ich als Feodor Lynen Fellow am National Institute of Standards and Technology in der Gruppe von Dave Wineland in Boulder/Colorado als Gastforscher tätig. Eine renommierte Wissenschaftlergruppe im Auftrag der amerikanischen Regierung, die sich weltweit einen Namen mit Experimenten zur Quantentheorie gemacht hatte.

1606 Lindau TheaterFoyers

Im Jahre 2012 wurden Dave Wineland für experimentelle Techniken der Quantenmechanik und dem Franzosen Serge Haroche zu gleichen Teilen der Nobelpreis in Physik anerkannt. Die beiden Forscher haben unter vielen weiteren Experimenten zur Quantentheorie Schrödingers Katze im Labor realisiert und verschränkte Zustände auf vielen Atomen bzw. vielen Photonen (quasi auf großen Katzen) erzeugen und nachweisen können. Experimente zur Teleportation quantenmechanischer Zustände und Tests zur allgemeinen Relativitätstheorie gehören auch zum alltäglichen Brot der Forscher. Ihre Tätigkeiten zeigen federführend auch die Machbarkeit aller notwendiger Prinzipien, die ein potentieller Quantencomputer der Zukunft leisten können muss. Wer die Presse hier verfolgt, hat vielleicht gelesen, dass die EU in den nächsten Jahren für diesen Forschungsbereich die extrem hohe Summe von einer Milliarde Euro Forschungsgeld in Europa zur Verfügung stellen will, um die Technologien handhabbar zu machen. Es war mein erstes Wiedersehen mit Dave Wineland seit über 10 Jahren und es hat mich, und ich denke auch ihn, gefreut.

Am ersten Abend nach einem geselligen Get-together, bei dem sich auch die Lehrer kennenlernen sollten, kam dann der erste volle Tag mit Vorträgen und Workshops. Die Vorträge waren eigentlich für mich der spannendste Teil der Veranstaltung und mein früheres Forscherblut begann wieder zu kochen: Denn aus dem Mund eines George Smoot die aktuellen und noch warmen Ergebnisse über die Gravitationswellen hören zu können, ist richtig klasse und durch nichts zu toppen. Dafür alleine hätte sich der Aufenthalt schon gelohnt. Exklusiver geht es nicht.

Cerf ReichleWeitere Highlights waren der Vortrag von Vinton Cerf, der als Vater des Internets gilt: er hat in den Siebziger Jahren das TCP/IP Protokoll definiert, das noch heute in dieser Weise gilt und die Kommunikation zwischen allen netzverbundenen Geräten ermöglicht. Dafür erhielt er im Jahre 2004 den renommierten Turing-Preis. Daneben hat es sich herausgestellt, dass er auch ein sehr netter Mensch ist, sich auch nicht zu schade um ein gemeinsames Foto mit mir zu machen (siehe Foto).

Nach einem Bayrischen Abend in einem riesigen Bierzelt und einem Buffet, das wirklich all diesen Nationen gerecht wurde und niemand hungern und schon gar nicht dursten musste, begann dann der zweite Tag mit einer Schifffahrt mit dem Luxusschiff Sonnenkönigin von Lindau zur Insel Mainau.

Auf diesem luxuriösen Schiff wurden wir auf der jeweils eineinhalb Stunden andauernden Hin- und Rückfahrt weiterhin sehr gut versorgt. Auch das Wetter spielte an diesem Tag mit. Auf der Insel wurden wir gleich weiter in die nächste Veranstaltung geführt, wo es eine Podiumsdiskussion mit drei Laureaten und Nachwuchswissenschaftlern gab, dazu Getränke, Sonnencreme, Mückenspray. Es war alles perfekt organisiert. Ein Großteil des Gartens wurde für uns reserviert. Dort gab es Essenspakete, Eiswagen und Obststände, an denen man sich beliebig bedienen und den bekannten Persönlichkeiten lauschen konnte.

Da wohl die wenigsten von uns gewöhnt sind, sich in einer derartigen Gesellschaft zu befinden, habe ich sehr vieles dabei auch hinterfragt. Um ehrlich zu sein: es ist sehr gewöhnungsbedürftig, so zu leben, jedoch überwogen bei mir dann doch die Begegnungen mit Einzelnen von den Preisträgern, speziell mit denjenigen, die sich auch Zeit nahmen, sich eher ungezwungen über die verschiedensten Dinge zu unterhalten.

Ein weiteres nettes Gespräch war zum Mittagessen, als wir Lehrer quasi in einen Raum mit fünf Laureaten „gesperrt“ wurden. Eher zufällig, wie es sich gerade ergab, setzte man sich an einen Tisch. Der Biophysiker Prof. Johann Deisenhofer, den ich davor nicht kannte, kam schließlich auf mich zu. Er entpuppte sich als eine sehr nette Person und erzählte uns viel aus seinem Leben, insbesondere was es bedeutet den Preis bekommen zu haben und wie sein Leben danach verlief. Er erzählte uns, dass er eigentlich Gehalt bezieht, dafür aber nichts mehr tun muss. Sein leicht bayrischer Akzent war mir schon anfangs aufgefallen. Ich habe ihn darauf angesprochen, wo er denn ursprünglich her komme. Er meinte dann, dass er aus einem kleinen Dorf bei Dillingen an der Donau stamme. Er kannte sogar Langenau vom Namen her. Ein Zufall, der uns amüsierte. Heute ist er Professor an der University of Texas. Etwa die Hälfte des Jahres halten er und seine Frau sich aber in ihrem Landhaus in Wyoming auf, wo sie öfters beim Skifahren anzutreffen sind. Ein sehr sympathischer Mann, der extra nochmal her kam um sich von mir zu verabschieden.

TS PassVon den vielen kleinen Geschichten aus diesen Tagen, könnte ich hier noch einige fortführen. Eine insgesamt gelungene Veranstaltung und eine tolle Erfahrung für mich, die ich gerne im Sinne des Teaching Spirits auch an die Schüler des Robert-Bosch Gymnasiums weitergeben möchte.

Wer hier auch Ambitionen hat mal hinzugehen, kann sich als z.B. als Lehrer oder besonderer Förderer der Naturwissenschaften bewerben (Informationen gibt es auf der Seite http://www.lindau-nobel.org). Auch als Schüler hat man die Chance: wer Landessieger von Jugend Forscht in Baden-Württemberg wird, erhält auch eine Eintrittskarte für einen Teil der Veranstaltungen.

An dieser Stelle möchte ich mich noch bei der Deutschen Physikalischen Gesellschaft danken, die mir diesen Aufenthalt ermöglicht hat.

Rainer Reichle (M/Ph Lehrer am RBG und Nominee für den Teaching Spirit 2016 / Nobelpreisträgertagung Lindau)

Weiterführende Infos: Lindau Nobel Laureate Meetings