RBG Langenau

SoFi 2 introSchüler und Lehrer beobachten gemeinsam die Sonnenfinsternis des 20. März 2015

Am Morgen des 20. März 2015 hingen im RBG plötzlich viele Zettel herum mit einer Warnung des Ministeriums an die Schulen vor der Sonnenfinsternis: Die Schüler sollen nicht ungeschützt in die Sonne schauen oder blinzeln, da sonst irreperable Augenschäden die Folge seien. Während manche noch über diese Zettel sich unterhielten, begann ich schon die Instrumente für eine gemeinsame Beobachtung vorzubereiten und aufzubauen.

 

Wir hatten wolkenlosen blauen Himmel, kaum eine Luftbewegung, und die Finsternis sollte in unserer Region mit einer 70% Bedeckung der Sonne aufwarten.

Wochenlang kamen immer wieder Hinweise in den Medien auf das bevorstehende Schauspiel. Warum sollte es an Schulen nicht möglich sein eine gefahrlose Beobachtung vorzubereiten? Jeder Schüler, jeder Lehrer ist in der Lage zu einer kostenlosen und völlig unschädlichen Beobachtung: Ein Stück Karton mit einem kleinen Löchlein und ein zweites Stück weißer Karton zur Projektion genügen schon um ein relativ scharfes Sonnenbild zu erhalten: Die einfachste Form der Lochkamera. Auch ich hielt zwei solche Kartone bereit und zeigte damit Schülern und Kollegen den Mond vor der Sonne.
1 Sofi Uebersicht

Der Verlauf der Sonnenfinsternis am 20. März 2015. Die Fotos entstanden an verschiedenen Instrumenten
und sind in chronologischer Reihenfolge zusammengestellt.

Tage davor testete ich jedoch die Instrumente, die hauptsächlich zum Einsatz kommen sollten: Als Hauptinstrument stellte ich ein Spiegelteleskop auf, das durch ein spezielles hitzebeständiges Okular die Sonne groß auf eine Dialeinwand projizierte: Dadurch konnten viele Menschen gleichzeitig und ohne jede Gefahr den Fortschritt der Finsternis verfolgen. Das Bild war erstaunlich kontrastreich und scharf. Ein Abiturient führte dieses parallaktisch montierte Teleskop fortwährend der Himmelsbewegung nach und kontrollierte seine Funktion.

Als zweites Instrument kam ein kleines, aber sehr massives Linsenteleskop zum Einsatz, das von Herrn Dr. Reichle betreut und nachgeführt wurde. Durch das spezielle Objektivfilter und den Einblick in Richtung Boden konnte jeder mit eigenen Augen gefahrlos und mit 36-facher Vergrößerung den dunklen Mond in seinem Vorüberzug vor der Sonne beobachten. Das einzige Problem dabei waren die verschiedenen Körpergrößen. Vor allem Jüngere mussten auf einen Stuhl klettern.

Ich selber befand mich hauptsächlich an einem großen Binokular mit 100mm Objektiven und einer 25-fachen Vergrößerung. Durch die beiden selbstgebauten Objektivfilter und den Sonnenschutz aus Karton sowie die Montierung auf einem stabilen Stativ war eine äußerst kontrastreiche Beobachtung der Finsternis mit beiden Augen möglich. Wegen des teuren Gerätes und der erfoderlichen Sensibilität im Umgang mit ihm konnte und durfte jedoch nur eine kleinere Zahl von Menschen an diesem Instrument beobachten.
2 Binokular profil

Auf diesem Foto, das am 25X100 Binokular entstanden ist, erkennt man deutlich, wie sich die Mondberge vor der Sonne abzeichnen. Merkwürdigerweise hängen diese gigantischen, 10 bis 12 Kilometer hohen Berge "nach unten". Auf dem Mond selber erheben sie sich natürlich nach oben.

Außer diesen drei Geräten wanderten unter den Schülern auch einige Sonnenfinsternisbrillen herum.

Viele Schüler und Lehrer nutzten die Gelegenheit für Fotos, was allerdings fast immer eine Herausforderung darstellte. Denn die meisten Handys waren mit den Kontrastverhältnissen überfordert. Gute Digitalkameras waren da meinem Eindruck nach unproblematischer.

Punkt 9.29 Uhr bildete sich am rechten oberen Sonnenrand eine leichte Delle: Der Mond klopfte an die Sonne an und bald war es allen klar: Eine riesige dunkle Kugel wälzte sich wie aus dem Nichts vor unsere Lebensquelle: Unser treuer Trabant in Form des Neumondes. Bald war zu beobachten, wie sich der Mond einem Sonnenfleck annäherte und ihn schließlich bedeckte.

Etwa 45 Minuten nach dem Beginn der Verfinsterung spürte ich ohne Blick auf ein Thermometer eine eingetretene Kühle, die von Mitbeobachtern bestätigt wurde. Auch das Licht war fahler geworden, alles wirkte plötzlich etwas unwirklich, obwohl ja für das bloße Auge nach wie vor eine strahlende Sonne im blauen Himmel stand. Um 10.38 Uhr war das Maximum erreicht, die Sonne sah jetzt wie ein lachender Mund aus. Im Binokular, aber auch schon auf der Dialeinwand war das unregelmäßige Mondrandprofil ohne Schwierigkeit zu erkennen. Die herrschende Luftruhe ließ die Beobachtung einzelner Erhebungen, also hoher Berge und Gebirgsrücken in der Südpolarregion des Mondes zu. Auch mit der Kamera konnte ich das Bergpanorama gut dokumentieren. Viele Schüler und Lehrer waren durch diesen Anblick der völlig gegen unsere Gewohnheit nach unten hängenden Mondberge fasziniert.
5 Mondrandprofil

Blick auf die Mondberge, die sich vor der Sonne im Hintergrund abzeichnen. Der Bildausschnitt stammt aus der Südpolarregion des Mondes und ist bei der Bildbearbeitung gedreht worden. Berge empfinden wir ja eindeutig als in die Höhe gehend. Ich habe versucht mittels des Monddurchmessers die höchsten Berge auf dem Bildschirm zu vermessen und komme auf die schon in der Forschung bekannten Werte zwischen 10 und 12 Kilometer im Vergleich zu einem glatten "Normalniveau" des Mondprofils. Damit überragen die Mondgebirge auch den Himalaya ganz deutlich um 2000 bis 3000m.

Bald begann sich der Mond nach links oben, d. h. nach Osten zu aus der Sonne wieder herauszubewegen. Während vor dem Maxiumum und um die Zeit des Maximums herum unser Platz dicht bevölkert war mit heranströmenden Schülern und Lehrern, wurden es bald danach weniger. Subjektiv empfand ich das Heraustreten des Mondes schneller als sein Hineintauchen. Kurze Zeit vor der Abschiedsdelle um 11.49 Uhr gab unser Trabant auch wieder den Sonnenflecken frei: An ihm konnte die rasant wirkende Geschwindigkeit der Mondkugel gut wahrgenommen werden. Alle waren sich einig, dass es sich gelohnt hatte dieses Himmelsschauspiel mit eigenen Augen erlebt zu haben. Intuitiv oder auch in ausdrücklichen Gedanken waren wir Zeugen kosmischer Himmelskörper und ihrer bewegten Verhältnisse geworden: Verhältnisse, die unser Leben hier auf der Erde vielfältig beeinflussen und bedingen. Unsere Stimmung, unsere Worte und Gespräche waren von diesem Bewusstein geprägt, die meisten, die dabei waren, werden diesen auffallend frischen Vormittag am Frühlingsanfang nicht so schnell vergessen.

6 Sonnenfleck

Kurz bevor der Mond die Sonne verlässt, gibt er auch den Sonnenfleck wieder frei, dessen Bedeckung vor dem Maximum
mehrere Schüler und Lehrer verfolgen konnten. Der Sonnenfleck ist etwas größer als unsere Erde.

Allen, die mitgewirkt und die Beobachtung ermöglicht haben, Schülern wie Kollegen, sei ganz herzlich gedankt!

Dr. Johannes Schilling